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Eitempera - das Ei in der Farbe

Ei-Tempera

Farb - Pigmente

In der Sahara findet man viele tausend Jahre alte Bilder auf Felsen gemalt. Wer den Film „Der Englische Patient“ nach dem Roman von Michael Ondaatje gesehen hat, dem ist auch die „Höhle der Schwimmer“ ein Begriff ...


Im weiteren Filmverlauf sieht man eine Höhle im Gilf-Kebir-Gebirge, wo schwimmende Menschen auf die Höhlenwand gemalt wurden. Diese Höhle der Schwimmer, es ist in Wirklichkeit eine Grotte, gibt es wirklich und sie wurde wohl auch von dem Grafen Almásy1 entdeckt.

Das Versprechen, Eitempera - Bild, Großformat

Wären die damals verwendeten Farben aus pulverisierten Erden und Ruß nur mit Wasser angerührt und auf den Fels gemalt worden, so gäbe es heute nichts mehr zu bestaunen. Farbe ohne Bindemittel verbindet sich nicht dauerhaft mit dem Malgrund. Ein Mangel, den die Menschen damals auch erkannt haben. Anders kann man sich nicht erklären, warum sie nach einer geeigneten Konservierungsmethode für ihre Malereien zur Dokumentation ihrer Gedanken, Eindrücke - ihres Lebens suchten. Farbe haftet nur mit einem „Kleber“, einem Bindemittel. Dieses Bindemittel bindet das Farbpulver, das Pigment, an den Malgrund, hier den Felsen.

Komposition mit sitzenden Figuren, Eitempera Bild
das Geschwätz

 

Irgendwann in grauer Vorzeit kam jemand auf die Idee, ein Ei als Kleber für das Farbpulver zu verwenden. Die im Eigelb enthaltenen Ei-Öle ergeben ein ganz hervorragendes Bindemittel. Man schlägt das Ei, Eigelb, mit oder ohne Eiweiß, in eine Schüssel, verrührt es zu einer homogenen Masse, vermischt es mit Pigment, und erhält eine Farbe, die sich bestens mit dem Untergrund verbindet. Die Ägypter und die Griechen malten bereits Temperabilder, z.B. Mumienbildern.

 

Die Eitempera trocknet zu einem sehr harten Malfilm auf. Das bedeutet, Eitemperabilder sind sehr widerstandsfähig gegen jede Form von Abrieb, z.B. durch unsachgemäße Handhabung in damals unruhigen Zeiten.

Nachtexpress, Eitempera-Malerei, Großformat, Ankauf Staatskanzlei München
Nachtexpress

Der Name Tempera leitet sich aus dem lateinischen temperare - „vermengen / vermischen / in ein richtiges Verhältnis bringen“ ab. Die Eitempera ist eine Emulsion, da Öl und Wasser mit-einander vermischt werden. Machbar wird die Vermischung der sich ab-stoßenden Flüssigkeiten durch den Eidotter, dem Emulgator, der hohe Mengen an wässriger sowie ölhaltiger Substanzen binden kann.

Diese so hergestellte „Ei-Farbe“ hat nur einen vehementen Nachteil, sie trocknet  unendlich langsam.

Zur Zeit Jan van Eyck wurde entdeckt, dass die Ei-Farbe durch Zugabe von Harzen2 und Ölen schneller trocknet und die Farbe dadurch auch satter und besser vermalbar wird.

Ei, Ei-Tempera
Vollei-Tempera
Dammarharz
Dammarharz
Dammar in Balsam-Terpentin aufgelöst
Dammar in Balsam-Terpentin

Ei, Harz und Öl, im richtigen Verhältnis miteinander vermischt, ergeben ein robustes Bindemittel. Allerdings hinterlässt dieser Malauftrag nach dem Trocknen u.a. ein kreidiges Erscheinungsbild, man nennt dies „Oberflächenlicht“. Dieses entsteht dadurch, dass sich die Hell-Dunkel-Werte sowie die Farb-Intensität  während des Trocknungsprozesses verändern. Der Maler muss diese Veränderung der Bildwirkung während des Malens abschätzen können. Wie ausgeprägt das Oberflächenlicht ist, hängt vom Öl-Harz-Anteil ab. Ölbilder hingegen haben ein "Tiefenlicht“.

Ikonen (Eikon – griech. – Bild/Abbild) wurden in dieser Ei-Tempera-Technik gemalt. Eine orthodoxe Ikone konnte nur ein orthodoxer Mönch malen. Das Malen am Bild galt als lithurgische Handlung. Der Mönch verwendete das Ei als Bindemittel, eine Auswahl an Pigmenten und ein Stückchen pulverisierter Reliquie, z.B. das Knochenstückchen eines Heiligen. Dabei war auch eine vorgeschriebene Bildsprache einzuhalten. War die Ikone fertig gemalt, kam der Weihbischof und schrieb den Namen des Heiligen auf das Bild. Erst dann war die Ikone als Kult- oder Heiligenbild fertig.

Das Ei hat daneben auch eine große Symbolkraft, z.B. für das Weiterleben in jedweder Form, man denke an die Ostereier.

Ein Bild wird während des Malens immer wieder in Teilen oder als Ganzes übermalt. Je nachdem, wie schnell sich Formen und Farben zueinander in eine stimmige Komposition entwickeln. Dabei darf die Farbe aber nicht überbunden werden. Kommt immer mehr Eitempera, also Kleber, in Farbschichten übereinander, oder ist in den oberen Schichten die Farbe nicht ausreichend verdünnt, kommt es zu einer „Überbindung“. Diese kann zu Rissen im Bild führen. Auf der Leinwand-Rückseite kann man diese Spuren der hohen Überbindung deutlich sehen. Sie erinnern an einen Holzwurmbefall, daher nennt man es „Wurmfraß“5.

Glasscheibentest - wie verändert sich das Bindemittel im Laufe der Jahre
Glasscheibentest, Eitempera

Ein Ei, zu einer homogenen Masse verrührt und mit einem Pinsel auf eine Glasscheibe gemalt, trocknet zu einem „Malfilm“. Da es sich beim Eigelb um eine gelblich schlierige Flüssigkeit handelt, wirkt der Malfilm nicht glasklar, sondern wächsern, trüb. Diese Eintrübung verteilt sich über das ganze Bild, da es sich ja um das Bindemittel, also den flüssigen Teil der Farbe, handelt. Um nun ein möglichst helles und lichtes Bindemittel für leuchtende Farben zu bekommen empfahl schon Cenino Cenini3, der Schüler Giottos, dass man Eier von Stadthühnern verwenden solle, da deren Dotter blasser sei als der der Landhühner.

 

Die Eitempera lässt die Farben auf eine ganz eigene Art leuchten. Das liegt u.a. am Bindemittel. Die Lichtstrahlen dringen in die Farbe und in das Bild ein. Dort wird das Licht im proteinhaltigen Bindemittel länger reflektiert als in anderen Bindemitteln, z.B. bei den Acrylfarben.

Glasscheibentest, Acrylfarbe
Glasscheibentest, Acrylfarbe
Acrylfarbe
Acrylfarben
Acrylfarben-Haut

Auch hier gibt es wieder einen ganz einfachen Test. Man malt einen kleinen Fleck Acrylfarbe auf eine Glasplatte, daneben einen Fleck Eitempera. Nach dem Trocknen überstreicht man die Acrylfarbe mit Wasser und wartet einen Moment. Kurz darauf kann man die Acrylfarbe mit der Hand von der Glasplatte abziehen. Diese Farbhaut sieht aus wie ein Stück Plastiktüte. Entsprechend wird das Licht gebrochen und so ist dann auch die Bildwirkung.

 

Schabt man mit einer Malerspachtel eine eingetrocknete Eitemperafarbe von einer Glasplatte, dann ist der Abrieb pulverisiert und die Farbe leuchtet immer noch. Die Qualität der Farbe, Bindemittel und Pigmente entscheidet neben der Grundierung und dem Malgrund maßgebend die Bildwirkung.

 

Eine Eitempera muss immer frisch hergestellt werden, da das Ei mit der Zeit fault. Auch nimmt die Bindekraft mit dem Alterungsprozess allmählich ab. Da die Herstellung einer Tempera preiswert und nicht aufwendig ist, stellt das Anreiben-der-Farbe-nach-Bedarf kein Problem dar.

 

Steht auf Tubenfarben „Eitempera“, dann handelt es sich dabei meist um Leimfarben, nicht um eine Eitempera im herkömmlichen Sinne.

 

Die Temperamalerei wurde in den vergangenen Jahrhunderten Stück um Stück vergessen, so wie diese Maltechnik allgemein vergessen wurde. Der Maltechniker Prof. Kurt Wehlte sprach hier von der „akademischen Verflachung“. Von Franz Lehnbach ist das Zitat überliefert: „Man kann mit allem malen was pappt“. Entsprechend groß sind auch die Schwierigkeiten bei der Gemäldekonservierung. Es war allen voran der Akademieprofessor Max Doerner, der die Maltechnik wieder in die Ateliers brachte.

 

Eitempera-Malen in der Küche

Nehmen Sie ein Ei und verrühren Sie es gut, geben Sie die Flüssigkeit z.B. in einen Eierbecher. Holen Sie Gewürze wie Paprika und Curry, ein Wasserglas zum Pinselauswaschen, Pinsel und einen Teller oder ein beschichtetes Brotzeitbrettchen. Tunken Sie mit dem Pinsel in das Ei, dann in eines der Gewürze, verrühren beides miteinander auf dem Brett und malen auf ein Stück Papier oder einen  porösen Stein. Was Sie malen sollen? Na, wie wäre es mit "Schwimmern" in Ihrem Garten ;-)?

 

Wie man eine Tempera mischt

Eitempera mischen

Ein Ei wird in ein zylindrisches Glas mit Schraubdeckel geschlagen. Deckel drauf und schütteln. Kurz stehen lassen, damit die Flüssigkeit zusammenlaufen kann. Der Eidotter wird an zwei Strängen in der Eimitte arretiert. Diese sind als „Hahnentritt“4 bekannt und heißen „Hagelschnüre“. Man kann sie problemlos aus dem Glas mit dem aufgeschlagenen Ei entfernen. Max. ein Drittel der Eimenge an Leinöl und Dammarharz-Firnis hinzugeben. Hat man keinen Dammar-Firnis zur Hand, kann man diesen auch schon einmal durch eine (Öl-) Gemäldeschlußfirnis ersetzen. Ich verwende statt der Dammar-Arbeitslösung das hochwertige Alkydharz. Es gibt unterschiedliche Misch-Anleitungen. Je nachdem ob man eine Öl-Wasser (OW) oder eine Wasser-Öl-Emulsion (WO) haben will. Ich verwende die Rezepte meines Maltechniklehrers und der die von Kurt Wehlte. Jede Flüssigkeit immer einzeln mit der vorherigen im Glas vermischen. Fertig.

 

Zum Malen braucht man neben der Tempera Pigmente, s. Foto, ganz oben.


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Quellen:

 

1 Schwimmer in der Wüste. Auf der Suche nach der Oase Zarzura. Ladislaus E. Almásy, Haymon

 

2 Man spricht hier von den katalytischen Eigenschaften (des Harz‘) auf fette Öle.

 

3 Cennino Cennini, ca. 1370-1440, Handbuch über die Malerei - Libro dell'arte o trattato della pittura

 

4 Kurt Wehlte, Werkstoffe und Techniken der Malerei, 1967, 1. Auflage

 

S. 601, Vom Wesen der Tempera

 

S. 604, Tempera-Emulsions-Systeme

 

5  Wurmfraß - Terminus in der Eitemperamalerei. Die überbundene Farbe reißt. Auf der Rückseite einer Leinwand sieht das aus, als hätte dort eine Art Holzwurm sein Unwesen getrieben.


Inhaltlich Verantwortlicher gemäß § 18 Abs. 2 MStV ist, 

Gerhard Marquard, Josef-Kloo-Str. 1 1/2, Landsberg am Lech, 19. Januar 2018

 

Mein Text darf nur mit meiner schriftlichen Genehmigung verwendet werden. Jede unerlaubte Verwendung, gleich welcher Art, wird zur Anzeige gebracht.

 

Alle Fotorechte liegen beim Verfasser dieses Artikels.

 

 

Fotos:

 

1 Farbpigmente im Pigmentkasten

 

2 Das Versprechen, Eitempera, 140 x 140 cm

 

3 Die Erzählerin, Eitempera, 40 x 40 cm

 

4 Nachtexpress, Eitempera, 140 x 170 cm, Ankauf Bayerische Staatskanzlei

 

5 Ei und Dammarharz

 

6 Glasscheibentest Eitempera, 1994

 

7 Glasscheibentest Acrylfarbe

 


Kommentare: 5
  • #5

    Gerhard Marquard (Montag, 22 März 2021 11:01)

    Hallo Dagmar,
    das hätte mit einer Grundierung verhindert werden können. Die beste Grundierung für Eitemperamalerei auf Holz ist eine Kasein-Grundierung. Dazu wird Kasein mit Borax aufgeschlossen, verdünnt und mit Substrat und Pigment angerührt. Die genaue Anleitung findet man im Buch von Kurt Wehlte, Werkstoffe und Techniken der Malerei. Ich hoffe, ich konnte helfen. Viele Grüße, Gerhard

  • #4

    Dagmar Neff (Montag, 15 März 2021 11:58)

    Hallo, wir haben mit selbst hergestellter Eitemperafarbe auf Holz gemalt und jetzt ist an vielen Stellen die Holzmaserung völlig hervorgetreten. Wie kann man dem entgegenwirken?
    Vielen Dank für eine Antwort.
    Mit lieben Grüßen,
    Dagmar Neff

  • #3

    Gerhard Marquard (Mittwoch, 14 Oktober 2020 13:38)

    Guten Tag Herr Müller,
    Aus der Ferne gesprochen, würde ich sagen, dass es sich um einen Fall von „Überbindung“ handelt. Verdünnen Sie die Eitempera nochmals mit derselben Menge Wasser, 1 : 1. Den richtigen Verdünnungsgrad zu finden erfordert etwas Fingerspitzengefühl.
    Mit einem freundlichen Gruß
    G. Marquard

  • #2

    Rolf Müller (Donnerstag, 08 Oktober 2020 16:23)

    Sehr geehrter Herr Marquardt
    Seit kurzem beschäftige ich mit dem Malen von Eitempera, weil es mir Spass macht, die Farben selber herzustellen. Nun habe ich ein Problem, das mir einiges zu schaffen macht. Beim Farbauftrag kommt es oft vor, besonders beim Übermalen, dass die Farbe reisst, das gibt dann hässliche weisse Flecken. Ich habe auf Papier gemalt (180 gr Offsetpapier), und die Fläche mit weisser Dispersionsfarbe grundiert. Auch ungrundiertes Papier macht dieselben Probleme. Können Sie mir einen Tip geben, worauf ich zu achten habe? Vielen Dank.
    Mit freundlichen Grüssen
    Rolf Müller

  • #1

    Dietrich Trebe (Freitag, 12 Juni 2020 08:43)

    Hallo Herr Marquardt, Sie waren schon einmal so freundlich, mir (als experimentierfreudigen Hobbymaler) einen Tip zugeben zu selbst angefertigten Acrylfarben. Ich beschäftige mich jetzt auch mit Eitempera und habe Ihre Anleitung gelesen. Können Sie mir bitte verraten, welches konkrete Produkt Sie verwenden , wenn Sie statt Dammarharz das“hochwertige Alkydharz“ verwenden? Es gibt da ja viele Produkte und als Laie blicke ich da nicht durch. Und was hat das für Vorteile? Haben Sie auch Erfahrung mit dem Medium 6 von Lukas, das ist eine synthetische Eitemperalösung, ist auf den ersten Blick einfacher, als mit dem ganzen Ei.
    Vielen Dank im Voraus. Mit freundlichen Grüßen D. Trebe