Les Demoiselles d’Avignon
von Pablo Picasso
Als Ikone und Wendepunkt der modernen Malerei zählt Picassos großformatiges Ölbild aus dem Jahr 1907 „Les Demoiselles d’Avignon“.
Picasso stand in Paris als junger Maler im Schatten des 20 Jahre älteren Malers Matisse, was ihm missfiel. Er suchte nach einem Gegenbild zu Matisse‘ berühmten Gemälde „Le bonheur de vivre“ von 1905/06, um der Avantgardemaler von Paris schlechthin zu werden.
Den Bildtitel lehnte Picasso ab, da er aus Witzeleien über das Bild entstanden war.


Der verunsicherte Picasso
Man kann es nicht glauben, aber der junge Picasso in Paris wird von Fernande Olivier als ein sehr verunsicherter, bedrückt wirkender und zurückhaltender Mann beschrieben. Nur in Spanien, so die damalige Lebensgefährtin, war er wie ausgewechselt, unbelastet und heiter. „Zurückhaltend“ wirkte er vermutlich deshalb, weil er damals nur sehr unzulänglich französisch sprach.
Ausgangspunkt des Gemäldes
Picasso malte an den Harlekinbildern, allerdings langweilte ihn das Motiv mittlerweile. Dann war da noch der ältere Matisse, der mit seinen Bildern moderner war als er und bei den Geschwistern Stein ein sehr hohes Ansehen genoss.
Picasso suchte nach einer anderen Form von Malerei, die ihn zum modernsten Maler von Paris machen sollte, Ehrgeiz hatte er genug.
Seine Reise mit Fernande nach Gozol in den Pyrenäen sollte Abstand zu Paris und Platz für neue Ideen schaffen, also Urlaub vom Maler-Alltag.
Die Idee, die ihn angeblich bewegt haben soll, war, eine Kunst zu finden, die nicht das gemeinhin Schöne sucht, sondern eine Malerei, die die Hässlichkeit nicht meidet.

Die Bildidee
In der Carrer d’Avinyó (Straße von Avignon) in Barcelona, in der Picasso damals lebte und malte, lag das „Freudenviertel“. Angeblich sah er dort in einem Bordell eine Szene von 5 Frauen und 2 Männern, die ihn zu diesem Bild inspirierten. Frühe Skizzen zeigen einen Medizinstudenten mit einem Totenschädel in der Hand und einen Matrosen, beide schauen zu den fünf Frauen.
Da vermutlich niemand mit einem Totenkopf in der Hand durch die Straßen schlendert, um dann mal kurz im Bordell vorbeizusehen, kann man davon ausgehen, dass sich Picasso mit anderen Bildern, Bildsymbolen und Kompositionen auseinandergesetzt hat. Der Totenkopf beispielsweise ist ein Symbol für das Memento Mori, bedenke, dass du sterblich bist.
Diese Bildidee durchlief ab Herbst 1906 bis zum Sommer 1907 viele Stadien der Verwandlung, bis am Ende das uns bekannte Bild entstand. Waren anfangs noch die zwei Männer zu sehen, so konzentrierte sich später die Malerei auf die fünf Frauen. Der Raum des Bordells veränderte sich und wurde zu einem Bildraum, der eher einer Bühne ähnelte, als einem Zimmer.
Dieser Bühnencharakter wird verstärkt durch den erahnbaren Vorhang, der zur Betrachtung des Bildes und der Figuren einleitet. Im Vordergrund ist ein Stillleben mit Melonen und Trauben aufgebaut.
3 Frauen haben noch nachvollziehbare Gesichtsformen, die zwei Damen rechts sind mit Masken vor dem Gesicht dargestellt. Diese Maskenformen sehen entfernt den afrikanischen Masken ähnlich.

Afrikanische Masken im Bild
Einer verbreiteten Geschichte nach, soll Picasso noch nie zuvor afrikanische Masken gesehen haben, er hatte sie angeblich während der Arbeit am Bild entwickelt. Als er diese bei einem Museumsbesuch im Louvre entdeckt hatte, fiel er angeblich fast in Ohnmacht, so verwundert war er, dass es diese Formen bereits gab.
Tatsache ist, dass es gerade entlang der Mittelmeerküste Spaniens kaum möglich ist, der afrikanischen Kunst nicht zu begegnen. Arabische Händler brachten u.a. auch afrikanische Kunst nach Spanien.
Der Salon der Steins
Gertrude und ihr Bruder Leo Stein unterhielten ab 1903 einen Salon, der kultivierten Personen zugänglich war. Die Steins waren für ihre Kauffreudigkeit bekannt, was den Künstlern sehr half, ihre Existenz zu sichern. Ebenso versammelten sich Schriftsteller im Salon, da die Hilfsbereitschaft der Steins bekannt war.
Im Buch „Kunst und Rivalität“ beschreibt Sebastian Smee eine Szene so:
Matisse besaß eine afrikanische Maske, deren Formen und klaren Linien er sehr mochte. Im Salon bei Gertrude Stein zeigte er diese Maske, u.a. auch Picasso. Dieser ließ sich davon begeistern und übermalte die beiden Frauen auf seinem Bild mit diesen neuen Formen.
Angeblich sah es Matisse in der Folge als Fehler an, Picasso bei dieser Ideenfindung den "Steigbügel gehalten zu haben".

Das Bild „Les Demoiselles d‘Avignon“ war hart umkämpft.
Vor und während der Arbeit an diesem Gemälde war Picasso von extremen Selbstzweifeln geplagt. Er suchte nach einer neuen Ausdrucksform um als Maler hervorzustechen.
Fernande Olivier schreibt, er stand gegen Mittag auf, da er die Nacht hindurch malte. Die Ruhe und das Lampenlicht gefielen ihm bei seiner Arbeit. Wurde er früh geweckt, war er sehr mürrisch, auch kauffreudigen Kunden gegenüber.
Nach dem Frühstück machte er einen Spaziergang. Mehrmals pro Woche schlenderte er zu der Galerie von Ambroise Vollard, um sich dort das Bild von Paul Cezanne „Die großen Badenden“ anzusehen.
Nach Fernande Olivier schätzte Vollard die Avantgarde nicht besonders, er erkannte aber deren Wachstum und Potenzial und damit einhergehend die Nachfrage und Wertigkeit ihrer Gemälde. Der Grundstock seines Vermögens lässt sich angeblich auf 50 Ölgemälde zurückführen, die er Paul Cezanne zum Spottpreis abkaufen konnte.
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"Die großen Badenden"
Cezanne hatte die großen Badenden ohne Modelle gemalt, da er seine schwierige Außenseiterposition im Städtchen Aixes nicht noch verstärken wollte, indem er junge Mädchen nackt für ein Bild posieren ließ. Die Badenden wirken auf dem Bild hölzern und fügen sich der Bildkomposition unter. Bei diesem Bild geht es um Farbe und was Farbe auf Leinwand zum Ausdruck bringen kann, es geht nicht um eine Abbildung von Nacktheit oder Erotik. Dieses Bild gilt für die „Demoiselles“ als eines der Schlüsselbilder.
809 Studien und Ölbilder
Die genaue Zahl, wie viele Studien Picasso für die "Demoiselles" anfertigte, lässt sich nicht exakt beziffern, da immer noch Studien dazu gefunden werden. Die letzte Zahl, die ich hörte, lag bei 809 - Ölbilder, Skizzen und Zeichnungen.
Keines seiner bekannten Bilder wurde so sorgfältig durchdacht und entwickelt wie dieses. Zeitzeugen berichteten, dass Picasso alles an Körperenergie und Denkkraft für dieses Bild gegeben habe. Zum damaligen Zeitpunkt das äußerste des Vorstellbaren.
Kritik
Das Bild übe eine verstörende Wirkung auf die Betrachter aus.
Die Freunde von Picasso sorgten sich um ihn. Braque oder Drain (die Aussage wird beiden zugesprochen) sagten, man fände ihn irgendwann erhängt hinter diesem Bild, oder: „Es ist, als würde man Spiritus trinken.“
Der Galerist Uhde erzählte seinem Kollegen Kahnweiler von dem seltsamen Bild, das er gesehen hatte. Kahnweiler ging daraufhin zu Picasso, um dieses Bild zu sehen und in der Folge wurde er sein langjähriger Galerist.
Das Bild wurde erstmals 1916 ausgestellt, gekauft wurde es 1924 von Jacques Doucet, 1939 wurde es vom Museum of Modern Art in New York erworben, wo es bis heute zu sehen ist.
Während der Jahre vor seinem Verkauf lehnte es immer nur an der Wand in Picassos Atelier.
Diese Mini-Serie lässt die Zeit aufleben
Sehr anschauliche Einblicke in das Leben Picassos zur Zeit der Entstehung der "Demoiselles" und den Entstehungsprozess des Bildes vermittelt die spanische Mini-Serie „El joven Picasso“ (Der junge Picasso), Serie Part 4/4, Kanal. Isom Gislason auf Youtube.
Fernande Olivier beschreibt in ihrem Buch „Picasso und seine Freunde“ die Szenen des Prozesses der Bildentstehung sehr ähnlich
Der Start in den Kunsthimmel
Auf „Les Demoiselles“ folgte der Kubismus und der Aufstieg von Pablo Picasso in den Olymp der Malergötter. Er zog aus dem armseligen Atelier im Battois Lavoir aus in eine vornehmere Wohngegend. Laut Fernande sollen die Umzugsspediteure gesagt haben: „Diese Leute müssen das ganz große Los gezogen haben“.
Das Geld, der Reichtum und der Ruhm ließen noch eine andere Seite im Menschen Picasso sichtbar werden.
Quellen
Fernande Olivier, Picasso und seine Freunde
Sebastian Smee, Kunst und Rivalität, Seiten 195 - 274, Insel Taschenbuch
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