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Aktzeichnen als Grundlage der künstlerischen Ausbildung

Zeichnen lernen an antiken Statuen

 

Gipsabgüsse zu zeichnen, ist öde. Das sehe ich auch so. Aber eine zeichnerische Auseinandersetzung mit den klassischen Bildwerken in der Glyptothek in München kann sehr viel Kreativität hervorbringen.

Und der Pausenkaffee im Innenhof der Glyptothek tut sein Übriges ...

 

Ob die ausgestellten griechischen Skulpturen wirklich naturgetreue Abbildungen sind ist die Frage. Größtenteils sind aus dieser Zeit nur römische Repliken erhalten geblieben. Wie weit dabei der römische Kopist die griechische Figur beim Kopieren verändert, oder sein eigenes künstlerisches Temperament mit eingebracht hat, wissen wir nicht.


Ausflug in die Geschichte:

Die frühe "griechische Figur" könnte man auch als "ägyptische Plastik" bezeichnen. Nach meiner Information lag das an den ägyptisch/persischen Kriegen. Die Ägypter raubten auf den Ionischen Inseln Männer, um diese im Krieg gegen die Perser als Frontmänner zu verwenden. Die überlebenden Griechen waren nach diesen Massakern aber nicht frei, sondern immer noch Gefangene. In Ägypten erlernten diese Griechen das Mauern und Bildhauern. Irgendwann kam diese Gruppe ehemaliger Gefangener als ausgebildete Maurer und Bildhauer nach Griechenland zurück, s. Herodot.

Diese „Rückkehrer“ mauerten, meißelten oder modellierten nun ihr Wissen in Stein oder Ton. Als intensive Naturbeobachter fiel den Griechen irgendwann im Laufe der Zeit die Diskrepanz zwischen lebendigen und gemeißelten Figuren auf. Sie fassten den Entschluss, Menschen so darzustellen, dass sie wie lebendige Menschen aussahen. Man muss wissen, dass die antiken Figuren, meist „gefasst“, also bemalt waren.

 

300 Jahre brauchten die Bildhauer, um die Figuren so zu gestalten, dass sie wie echte Menschen aussahen. Etwa 30 Jahre lang fertigten sie nun lebensechte Figuren, dann wichen Sie vom strengen Naturalismus ab. Die dann entstandene neue Plastik sieht für uns heutzutage natürlich immer noch wie das "blühende Leben" aus.

Polyklet

Polyklet (*420 v. Ch.) gab der Figurendarstellung Dynamik und Bewegung. Er schrieb das Werk „Kanon“, das ihn zum ersten bekannten Kunsttheoretiker machte, und er erschuf die Kunstfigur. Nicht nur, dass die Skulpturen nicht mehr steif in der Gegend herumstanden, er hat sie auch anatomisch verändert. Zugunsten einer starken Mittellinie, längs durch die Körpermitte, verzichtete er beispielsweise auf das Kreuzbein. So geht die Mittellinie entlang einer sehr tief liegenden Wirbelsäule direkt in den Gesäßspalt über. Menschen sehen so nicht aus, aber Plastiken sehen so viel besser aus.

 

Warum nun haben die Griechen nach 300 Jahren schweißtreibender Arbeit nur 30 Jahre lang ihr vorgenommenes Ziel im Auge behalten und die Figur dann verändert? Deswegen: Sie erkannten, dass nichts langweiliger ist als die Realität. Das Gegenteil davon ist spannend, die Übertreibung!

 

Ein Fotomodell sieht im echten Leben auch nicht so aus wie auf einem Foto. Und ganz ehrlich, sind die Nachrichten, die ein Kabarettist zum Besten gibt, nicht viel spannender und amüsanter als die der Tagesschau?

 

Zeichnen in der Glyptothek und die Übertreibung

 

Zeichne ich in der Glyptothek oder im nahe gelegenen Museum für Klass. Abgüsse in München, dann interessiert mich die exakte Nachahmung der Figuren am wenigsten. Lieber lasse ich mich von den Figuren nur inspirieren und zeichne Paraphrasien, also sehr freie Übersetzungen der Vorlagen, und entdecke dabei Zeichentechniken um sie zu interpretieren.

 

Zeichnen soll ja Spaß machen und das macht es, wenn meine Vorgehensweise, also meine Zeichentechnik, explorativ ist - bildungssprachlich ausgedrückt. Ich kann auch sagen, wenn ich während des Zeichnens das Zeichnen entdecke, es mir eine Heidenfreude macht und ich die Zeit total vergesse, dann stimmt die Richtung.

Es gibt unterschiedliche Herangehensweisen um Figuren zu zeichnen. Reduziert kann ich sagen, dass das Zeichnen auf zwei Möglichkeiten basiert. Diese sind in folgendem kleinen Versuch zu erkennen: Zeichne einen Kreis. Zeichne nochmal einen Kreis, diesmal aber flächig von innen nach außen.

 

Beim ersten Kreis muss ich mir einen Kreis vorstellen, sonst kann ich ihn nicht zeichnen. Der zweite Kreis entsteht durch Beobachtung. Dämmerts? Wenn ich ein ungeübter Zeichner bin, dann ist die gewohnte Art, über die Umrisslinie zu zeichnen, zwar die einzige bekannte Möglichkeit, aber nicht die klügste Wahl! Dieser kleine Test lässt weiterhin erahnen, dass das Gelingen der Zeichnung u.a. an der richtigen Vorgehensweise liegt. Das mir bekannte Zeichnen basiert auf diesen beiden Möglichkeiten, in der Praxis allerdings entwickeln sich daraus weit mehr Möglichkeiten.

 

Die beiden genannten Methoden, Umrisslinie und Fläche, kann man unterschiedlich einsetzen/kombinieren/entwickeln und entsprechende Ergebnisse erzielen.

 

In meiner Kursreihe „Zeichnen in der Glyptothek“ zeige ich diese unterschiedlichen Herangehensweisen.

Inhaltlich Verantwortlicher gemäß § 18 Abs. 2 MStV ist, 

Gerhard, Marquard, Josef-Kloo-Str. 1 1/2, 86899 Landsberg am Lech


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